Story

von | 09. Mrz 2023 | Allgemein

Sto·ry

/ˈstɔːri,ˈstɔri/

Substantiv, feminin [die]

Storytelling ist gerade in aller Munde. Keine Agentur schafft es das Thema nicht zu spielen. Kein Unternehmen kommt darum herum und zwar völlig unabhängig um welches Medium es sich handelt. Das liegt sehr offensichtlich daran, dass die Macht einer Geschichte -einer story- gar nicht überbewertet werden kann. Der israelische Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari hält die Fähigkeit Geschichten zu erzählen sogar für den Hauptgrund warum die Menschheit zur dominierenden Spezies auf dem Planeten wurde. Auch der antike Philosoph Plato hielt diese Fähigkeit für essentiell um Heranwachsenden und jungen Führungspersönlichkeiten Ideale einzupflanzen, welche größer sind als sie selbst. Er propagierte storytelling als Methode um Menschen zu prägen, gar ihre Verhaltensweisen zu beeinflussen. Auch bestimmte Mnemotechniken verwenden Geschichten, um sich Inhalte einprägsamer zu merken.

Halten wir also fest, dass die Bedeutung von story und von storytelling eigentlich schon seit Jahrtausenden klar ist.

Fast alle Kreativen behaupten von sich, storytelling sei genau das was sie machen. Wie kann das sein? Es scheint, dass storytelling nur noch „Geschichten erzählen“ bedeutet. Doch welch eine Bedeutung hätte eine Geschichte, welche nicht nachhaltig im Gedächtnis bleibt? Eine Geschichte, die niemand bis zu Ende hören will? Eine story, die denjenigen gar nicht erreicht, dem ich sie erzählen will? Eine Geschichte, die weder berührt, noch zum Lachen bringt?

 

Was ist storytelling?

Story ist einfach eine Geschichte und telling bedeutet schlicht das Erzählen derselben. Doch was eigentlich gemeint ist, geht viel tiefer: Es geht um die Kunst eine Geschichte zu erzählen. Doch was bedeutet das ganz konkret? Wird eine Geschichte nicht von denen geschrieben, die sie erleben? Definiert nicht genau dieses Erlebnis die Geschichte, die man sich anschließend darüber erzählt?
Ich würde es anders formulieren und sagen, dass das Erlebnis die Erzählung bedingt. Doch die Art und Weise wie man diese Geschichte erzählt macht einen eklatanten Unterschied und ist tatsächlich variabel. Anschaulich wird das in einem Beispiel:

Das Erlebnis und eine Version lautet:
Der Junge fällt in eine Pfütze. Er ist nass und schmutzig. Anschließend geht er nach Hause.

Eine andere Version erzählt dieselbe Geschichte so:

Der Junge betritt den Raum. Er ist klatschnass. Der Schmutz tropft aus den nassen Haaren.

Obwohl es dieselbe Geschichte ist, wollen wir in der zweiten Version automatisch wissen, wie die Geschichte weiter geht. Wir merken, dass es durch einfache Kniffe möglich ist dasselbe Erlebnis in verschiedenen Versionen zu erzählen.

Zur Definition und Bedeutung von storytelling können wir uns auch die Frage stellen welche Bedeutung Kunst hätte, ohne die Geschichten, welche Kunstwerke erst einordnen. Die Einordnung in die Epoche, verwendete Techniken, Einfluss auf andere Künstler, Bedeutung für die Kunsthistorie, usw. Ist alles storytelling. Es sind genau diese Geschichten, die dem Kunstwerk erst Bedeutung verleihen.

Die Mona Lisa beispielsweise hängt im Louvre hinter dickem Glas und blickt den Betrachter mit zugegebenermaßen faszinierendem Blick an. Sofern dieser überhaupt in der Lage ist einen flüchtigen Blick zu erhaschen, bevor er von der Menschenmasse weiter geschubst wird. Doch aus welchem Grund strömen diese Menschenmassen unaufhaltsam in den Louvre? Sind es nicht die Mythen, die sich um da Vincis Porträt einer namenlosen Dame ranken? Handelt es sich gar um das Gesicht seines Liebhabers in Frauengestalt? Welches Geheimnis verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Lächeln der Mona Lisa? Welche verborgene Botschaft wollte Leonardo da Vinci der Nachwelt mitteilen? Inwieweit verfolgt die Mona Lisa ihre Zuschauer mit diesem geheimnisvollen Blick? Welche Techniken nutzte da Vinci um genau diesen Eindruck zu erwecken?

Sind es nicht genau diese Geschichten, welche Menschen immer wieder faszinieren? Wäre die Mona Lisa ohne diese Mythen, ohne diese Erzählungen – kurz ohne diese Geschichten – nicht einfach nur das Porträt einer Frau?

Ich bin kürzlich durch Rotterdam geschlendert. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich kaum Vorwissen über Rotterdam besaß. Also trottete ich ziellos durch die Straßen, entlang des Hafens und betrachtete zwar interessante Architektur doch mir blieb die Bedeutung dahinter verwehrt. Erst als ich begann mir die Geschichten zusammen zu googeln und Info-Tafeln zu lesen, entwickelte sich nach und nach das Bild einer bedeutenden Handelsstadt. Kurz gesagt, verlieh erst die Story meiner Reise eine Bedeutung.

Stadt

Offenbar existieren zwar Geschichten, doch gut erzählt, werden die wenigsten. Gerade in der Unternehmenskommunikation ist einer der häufigsten Fehler alles – wirklich alles – erzählen zu wollen.

Auch der preisgekrönte amerikanische Radioreporter Ira Glass glaubt an die Macht der Geschichte und hält zwei Bausteine für essentiell: Die Anekdote und den Moment der Reflexion. Ein Leser, Zuschauer, Hörer muss auch verstehen, was eine Geschichte bedeutet. Sobald entweder die Ereignisse der Geschichte unbedeutend sind oder diese Bedeutung verloren geht, z.B. durch eine reine Aufzählung von Fakten, ist die Geschichte für den Zuschauer nicht mehr interessant. Und damit kommen wir zur Grundlage einer guten Geschichte:

 

Relevanz eines Erlebnisses

Ein Erlebnis muss einen Grund haben erzählt zu werden. Es muss wichtig genug sein, dass es wert ist es in eine Geschichte zu verpacken. Kurz gesagt muss es potentiell Interesse bei den Zuhörern wecken. Was wie eine Binsenweisheit klingt ist in der Umsetzung gar nicht so einfach. Gerade in der Werbung wird oft versucht Belanglosigkeiten als bahnbrechend zu verkaufen. Doch gerade in Zeiten der Informationsflut will kein Mensch seine Zeit für Belanglosigkeiten opfern. Im Gegenteil konkurrieren wir in der Werbung um die Zeit des Zuschauers. Je irrelevanter der Inhalt dessen ist was der Zuschauer liest, hört oder sieht, desto weniger Zeit wird er diesem Content widmen. Schlimmer noch: möglicherweise wird er das nächste Mal noch weniger gewillt sein mit einer Marke zu interagieren, deren Erzählung beim letzten Mal schon seine Zeit verschwendete. Dieses zentrale Element des storytellings nenne ich die Relevanz des Erlebnisses.

 

Story ist Entertainment

Beim Konsumieren von Werbung muss man nur das eigene Nutzerverhalten analysieren. Wie kommt es, dass man auf YouTube die Werbung meist schnellstmöglich überspringen will, während man auf Netflix aktiv Filminhalte konsumiert? Der Schlüssel liegt im storytelling, also der Art und Weise wie die Geschichte erzählt wird. Eine Story soll in erster Linie unterhalten. Sobald der Zuschauer das Gefühl hat er soll be- und geworben werden, kategorisiert er die Geschichte als Werbung. Damit wird genau diese Geschichte zunehmend irrelevant.

Eine weitere Grundlage des storytellings muss ja darin bestehen, dass ich die Geschichte zu Ende erzählen darf, bevor sich mein Gegenüber abwendet. Das fängt schon bei harmlosen Konversationen an, aber relevant wird das vor allem bei der Unternehmenskommunikation. Gerade dort kommt es ja darauf an Artikel zu Ende zu lesen oder Videos bis ans Ende zu schauen, um Mehrwert und Botschaft subtil zu verpacken.

Die Art und Weise wie eine Geschichte erzählt wird ist deshalb essentiell.

Dazu kann einerseits die Geschichte sehr kurz sein – dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie erzählt werden kann. Andererseits aber kann man auch den Königsweg beschreiten und die Geschichte so spannend erzählt werden, dass sie das Publikum bis ans Ende fesselt. Spannung ist demnach eines der Grundlagen ordentliches storytellings.

 

Hitchcock als Meister der Spannung

Der Meister der Spannung ist sicherlich Alfred Hitchcock. In seine berühmten Bombentheorie zeigt Hitchcock den Unterschied auf zwischen Überraschung und Spannung.

“Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen “Spannung” und “Überraschung,” und doch werden beide in vielen Filmen allzu oft verwechselt. Ich werde versuchen, diesen zu erklären. Nehmen wir mal an, da ist eine Bombe unter dem Tisch zwischen uns. Nichts passiert und dann plötzlich, “Boom!” Eine Explosion. Das Publikum ist überrascht, doch vor dieser Überraschung, hat es eine absolut ordinäre Szene ohne irgendwelche Konsequenzen gesehen. Nun sehen wir uns eine Situation der Spannung an. Die Bombe ist unter dem Tisch und das Publikum weiß es […]. Unter diesen Umständen erscheint die so harmlose Konversation faszinierend, denn das Publikum nimmt daran teil. Am liebsten würde das Publikum die Charaktere auf dem Bildschirm warnen: “Nun redet doch nicht von solch trivialen Dingen. Da ist eine Bombe unter euch und bald geht sie hoch!” ––Alfred Hitchcock

Hitchcock

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